Aber Holla!

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Bundesparteitag in Essen. Was für ein Wochenende! Auch Tage danach schmeckt mir das Bier immer noch nicht, ich kann nicht schlafen, und das Gegröle in der Gruga-Halle mäandert immer noch als O-Ton zwischen meinen beiden Ohren.

Ich habe mich schon am Samstagvormittag gefragt, in welche Partei ich einst eingetreten war und in welcher Partei ich mich auf einmal wiederfand. Mein erster Reflex war eine eher ungeordnete Flucht: Beisitz niederlegen, Partei verlassen, zwei Jahre Arbeit abschreiben und aus der Entfernung zusehen, wie die AfD ins Nichts diffundiert. Erst langsam dämpft Distanz das Gedröhne und lässt zu, dass ich die ganze Sache etwas nüchterner betrachte.

Bernd Lucke hat eine legendäre Niederlage erlitten. Die Umstände waren pöbelhaft und seiner unwürdig. Diese Niederlage jedoch allein auf einen Richtungswechsel in der Partei zurückzuführen, greift nach meiner Meinung zu kurz; es gab viel zu viele Defizite in der Führung der Partei und im Umgang mit den Mitstreitern. Ich bin davon überzeugt, dass in Essen erst das Zusammentreffen von Parteimitgliedern, die mit Bernd Lucke einfach nicht mehr konnten und Parteimitgliedern, die seinen Kurs nicht mittragen wollten, zu dem uns bekannten Wahlergebnis führte.

Unser ehemaliger Parteivorsitzender hat nach Bekanntgabe seiner Niederlage die Bühne geräumt. Indes ist er nicht alleine gegangen; eine ganze Reihe seiner Vertrauten hat mit ihm das Schlachtfeld verlassen. Für eine Weiterarbeit stand dann kaum einer seiner Mitstreiter mehr zur Verfügung.

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer wieder gelesen und gehört, dass die Aktivitäten aller Beteiligten zum Wohle und im Sinne der AfD stattfänden. Nach der Wahlniederlage regierten dann aber die persönlichen Befindlichkeiten der Betroffenen und liessen die vergangenen Erklärungen und Appelle verblassen. Mich hat getroffen und verärgert, mit welcher Selbstverständlichkeit genau die Politiker von mir Vertrauen, Kraft und Überzeugungsarbeit erwartet haben, die nach ihrer ersten schweren Niederlage zeigten, wie wenig Vertrauen sie in uns zu setzen bereit waren.

Sicherlich war auch Konrad Adam nicht bereit, sich nach unten durchreichen zu lassen. Dabei war seine Laune anfänglich doch ganz gut. Hätte er einen weiteren Wahlgang ertragen, wäre er Mitglied des Vorstandes geworden. Da habe ich mir von ihm etwas mehr Durchhaltevermögen erwartet.

Im Angesicht dieser Situation ist ein Vorstand gewählt worden, der sicherlich Nähe zur neuen Vorstandsvorsitzenden repräsentiert. Bei einem gelungenen Durchmarsch von Bernd Luckes Kontrahenten sähe der Vorstand jedoch ganz anders aus. Insoweit haben die Mechanismen noch funktioniert.

Ich bin nicht glücklich über die neue Konstellation. Es bringt nichts, zu versuchen, hier etwas schön zu reden; für mich ist es schlicht undenkbar, in einer Partei mitzuarbeiten, in der dumpfe Stammtischparolen die Argumente ersetzen und Kontrahenten einfach niedergeschrien werden.

Aber noch teile ich nicht die allgemein kolportierte Ansicht, dass wir in der AfD einem Rechtsruck unterlegen sind.

Ich bin Mitglied des Weckruf2015, ich habe mich dazu unter dem Eindruck der Veranstaltungen in Bottrop und Siegen entschieden. Was mir im Laufe der letzten Wochen an unsachlichen Argumenten und persönlichen Angriffen von Vertretern beider Seiten ins Postfach gelaufen ist, war dann doch des Unguten zuviel. Man hat uns so ganz nebenbei mitgeteilt, dass wir persönlich und beruflich gescheitert seien; Pöstchenjäger mit gebrochener Biographie, die sich eine prominente Postition in der AfD erhofften. Von anderer Seite sagte man uns, dass wir beurteilt würden von Kontrahenten, die persönlich und beruflich gescheitert seien; Pöstchenjäger mit gebrochener Biographie, die sich eine prominente Postition in der AfD erhofften. Da wären wir also alle wieder in bester Gesellschaft.

Genug mit der Nabelschau.
Wir haben in Bremen und in Essen unsere Unschuld verloren und mit Riesensprüngen die Wohlfühlzone verlassen. So what! Die AfD wäre die erste Partei, in der sowas nicht passieren kann.
Vielleicht hat uns das Klima in der Gruga-Halle geholfen; unseren Geist zwar erhitzt, doch den Körper erschlafft. Zu ‚liquid democracy‘ fehlt uns allen dankenswerterweise der Fundamentalismus: Wir alle kennen den grünen Politiker, dem einst ein Mitstreiter seine bunte Meinung um die Ohren geschlagen hat. Soweit lassen wir’s einfach nicht kommen.

Also! Mund abputzen! Weitermachen!

Frau Petry, Sie haben versichert, dass der Bundesvorstand bei dem seit Gründung eingeschlagenen Kurs bleiben wird. Ich nehme Sie beim Wort. Von mir haben Sie die hundert Tage.

Danach werden wir sehen.

In diesem Sinne
Peter Inde
Köln, 8. Juli 2015

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